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Leitartikel

Fachkräftemangel in unserem Handwerk

Daniel Fürst
Daniel Fürst /

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein altes Sprichwort lautet: „Wer suchet, der findet.“ Der Ursprung dieses Sprichwortes wird einer Bergpredigt Jesu zugeschrieben. In dieser heißt es: „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopf an, dann wird euch geöffnet.“

Ohne auf den tieferen Sinn des religiösen Inhalts der Bergpredigt und die daraus resultierende Bedeutung des Sprichwortes einzugehen, muss man zweifelsohne zugeben, dass viel Wahres in diesem einfachen Satz verborgen liegt.

Der Beginn ist die Erkenntnis, dass man auf eine Suche gehen sollte. Darauf folgt, dass man wissen sollte, wonach man sucht. In unserem Handwerk ist beides leider nicht eindeutig. Da gibt es diejenigen, die noch nicht erkannt haben, dass wir suchen müssen. Und es gibt diejenigen, die nicht wissen, wonach wir suchen. Und dann gibt es noch den ZDS. Wir sind uns seit mehreren Monaten bewusst, wo die Reise hingehen wird und was wir für unseren Weg benötigen.

Wir sprechen vom Fachkräftemangel in unserem Handwerk. Seit vielen Monaten wissen wir, dass wir zu wenig Fachkräfte in unserem Handwerk haben. In vielen Bereichen wird der Mangel mehr und mehr spürbar. Und trotzdem gibt es einige Führungspersonen in unserem Handwerk, die sich noch nicht so ganz sicher sind, ob der Mangel an Fachkräften tatsächlich existent ist – oder ob der Fachkräftemangel ein von der Gewerkschaft und einigen wenigen Leuten erfundenes Phänomen ist.

Selbst die für uns zuständigen Landesministerien sind sich nicht dessen bewusst, was für ein Riesenproblem auf das Schornsteinfegerhandwerk zukommt. Zu häufig befassen wir uns mit der Gegenwart, und da scheint der Fachkräftemangel ein überschaubares Problem zu sein. Blicken wir jedoch in die nahe Zukunft, sieht die Situation deutlich angespannter aus. Seit einigen Jahren bildet unser Handwerk zu wenig aus. Rein rechnerisch benötigt das Schornsteinfegerhandwerk mindestens 635 Auszubildende pro Lehrjahr. Diese Zahl hat eine Hochrechnung der Verbände im Schornsteinfegerhandwerk aus dem Jahr 2018 ergeben. Derzeit gibt es allerdings über alle Lehrjahre hinweg nur rund 1.600 Azubis in unserem Handwerk. Also deutlich weniger, als wir in der Theorie benötigen würden. Eine weitaus aktuellere Zahl stammt von einer Auswertung, wonach wir festgestellt haben, dass jährlich rund 150 Kolleginnen und Kollegen bundesweit unser Handwerk verlassen. Sie entscheiden sich beispielsweise nach Bestehen der Gesellenprüfung, ein Studium zu beginnen. Manche wechseln die Branche und gehen in die Industrie und manch andere wechseln zur Berufsfeuerwehr. Und wiederum andere beginnen eine zweite Lehre in einem anderen Beruf. Was auch immer die Gründe für die Berufsaufgabe sein mögen, am Ende sind es rund 150 Kolleginnen und Kollegen, die unserem Handwerk nicht mehr zur Verfügung stehen. Zu allem Überfluss in dieser brisanten Situation muss zu einer objektiven Bewertung die Altersstruktur der jetzigen Betriebsinhaber berücksichtigt werden. Die Datenlage, die dem zugrunde liegt, bestätigt, dass in den kommenden Jahren noch einmal viele der jetzigen bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger in den Ruhestand wechseln werden.

Aus allen diesen Gegebenheiten heraus blicken wir mit Sorge auf das, was uns bevorsteht: die vielen unbesetzten Bezirke, die vielen Betriebsinhaber, die verzweifelt auf der Suche nach Fachkräften sein werden, die jungen Leute, die in dem Beruf des Schornsteinfegers auf den ersten Blick nichts Modernes entdecken können und daher einen anderen Beruf erlernen oder ein Studium beginnen wollen. Die Alternativangebote anderer Branchen sind dann so gut, dass auf den zweiten Blick verzichtet wird. Und dann wären da noch wir selbst: die Berufsgruppe der Schornsteinfeger. Einige von uns, sogar Führungspersönlichkeiten in unserem Handwerk, die damit beschäftigt sind, erst einmal herauszufinden, ob wir tatsächlich an einem Fachkräftemangel leiden, und wenn ja, wie sich dieser auswirken kann. Meist dieselben, die auf sehr konservative Weise versuchen, junge Leute für unser Handwerk zu begeistern. Und auch diejenigen, die ein sehr veraltetes Bild von unserer heutigen Jugend haben. Ohne es selbst zu merken, tragen genau diese konservativen Kräfte in unserem Beruf dazu bei, dass uns die Zeit davonläuft.

Als ZDS haben wir unumstritten erkannt, dass wir einen Fachkräftemangel in unserem Handwerk haben. Wir waren in diesem Jahr mutig und modern genug, eine megaerfolgreiche Kampagne zu starten, die Millionen Leute erreicht hat – mit dem Ziel, auf den ZDS aufmerksam zu machen und vor allem auf unseren Beruf aufmerksam zu machen. So modern, wie wir heute als Beruf sind, haben wir uns dargestellt. Mit coolen Bildern, einem passenden Songtext und in der Sprache, wie sie die jungen Leute heute verstehen, wurde von uns ein authentisches Musikvideo produziert. Die Reichweite des Videos hat alle Maßstäbe, die wir von bisherigen Kampagnen aus dem Schornsteinfegerhandwerk kennen, neu gesetzt. Wir haben es geschafft, die Blase unseres Handwerks zu durchbrechen und außerhalb – in der „richtigen Welt“– auf uns aufmerksam zu machen. Alles in der Hoffnung, dass viele junge Leute genau das in unserem Handwerk sehen, was wir sind: zukunftsfähig, modern, anpassungsfähig und mit sehr guten Karrierechancen, bis hin zur Selbstständigkeit. Wir haben erkannt, dass wir dringend auf die Suche nach Fachkräften gehen müssen, allein schon, um unser Schornsteinfegersystem mit Bezirken aufrechterhalten zu können. Zwar haben wir in den vergangenen Jahren vieles dafür getan, unseren Beruf attraktiver zu machen. Doch diese Bemühungen reichen augenscheinlich nicht aus. Zu allem, was wir bisher gemacht haben, muss eines hinzukommen: die Suche nach Fachkräften als solche. Dazu möchten wir alle Berufsangehörigen und vor allem alle Betriebsinhaber auffordern, auf die Suche nach unseren zukünftigen Auszubildenden zu gehen. Denn wir sind überzeugt davon: Wer suchet, der findet. Vor allem, wenn in unserem Handwerk endlich einmal Konsens darüber besteht, dass wir auf die Suche nach Fachkräften gehen müssen.

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