Aus- und Weiterbildung vs. Studium
Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele bemängeln die Ungleichbehandlung bei den Qualifizierungsarten. Eine Berufsfortbildung zum Meister fordert z.B. mehr finanzielle Mittel als ein Studium, denn Studieren in Deutschland ist schon seit 2013 überall kostenfrei.
Ein Vorbereitungslehrgang zum Handwerksmeister mit anschließender Prüfung kostet im bundesweiten und handwerksübergreifenden Durchschnitt 9.000 €. Hinzu kommen meist noch Lebenshaltungskosten und der Verdienstausfall. Je nach Bundesland gibt es zwar Prämien oder das für alle nutzbare Meister-BAföG. Allerdings steht dies in keinem Verhältnis zu den kostenfreien Studiengebühren.
Einen Schritt in die Richtung des kostenlosen Meisterbriefs hat das Bundesland Niedersachsen geschaffen. Die Meisterprämie von 4.000 €, die nach dem Abschluss ausgezahlt wird, versucht angehende Meister, Techniker, Fachwirte und Berufspädagogen von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren zu befreien, um diese mit Studenten gleichzustellen.
Für all die, die sich den Meisterbrief zeitlich oder finanziell nicht leisten können, hat die Handwerksschule zwar mit dem Online-Meisterlehrgang vieles vereinfacht. Aus Handwerker- und Gleichberechtigungssicht wäre es trotzdem schön, die Ambitionen aus Niedersachsen bundesweit umzusetzen und bestenfalls noch zu erweitern – mit dem Ziel, unseren Nachfolgern eine kostenlose Ausbildung bis zum Meistertitel zu ermöglichen.
Das Handwerk kämpft schon länger mit fehlenden Fachkräften. Wenn man bedenkt, dass die Weiterbildung nach der Lehre eigene finanzielle Mittel aufbraucht und die Meinung weit verbreitet ist, dass nur Studierte ein gutes Leben haben können, hätte man hier zwei Stellschrauben unter vielen, um die Attraktivität, eine Ausbildung im Handwerk zu starten, größer zu machen.
Als Qualifikation ist der Meister dem Bachelor schon länger gleichgestellt, doch das muss auch noch in unseren Köpfen ankommen. Wer studiert, macht Karriere und verdient viel in einem angenehmen Bürojob? Man hört es zwar immer wieder, was diese Aussage aber nicht richtiger macht. Akademiker haben nicht automatisch bessere Chancen als Meister oder Techniker.
Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat im Auftrag der Gesellschaft für berufliche Bildung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages die Einkommens- und Arbeitsmarktperspektiven von Fachkräften mit Fortbildungsabschluss mit denen von Akademikern verglichen. Das Ergebnis zeigt, dass es zwar – wie zu erwarten – auf Branche und Berufsrichtung ankommt, Menschen mit Fortbildungsabschluss aber keinesfalls durchschnittlich schlechter gestellt sind.
Ich will ein Studium gar nicht schlechtreden, aber nicht jeder muss studieren. Ich persönlich bin beispielsweise sehr froh, ein Handwerk gelernt zu haben, und auch stolz darauf, einen Meisterbrief zu besitzen. Auch bin ich mir sicher, dass ich nicht der einzige Schornsteinfeger bin, der zufrieden mit seiner Berufswahl und der Karrieremöglichkeit ist. Wir Schornsteinfeger, die jeden Tag bei den Bürgern zu Hause sind, erzählen das aber viel zu wenig. Kein Kunde weiß, auf welchem Niveau die Handwerker und Betriebsinhaber von Handwerksbetrieben immerzu jammern. Was hängenbleibt, sind Sachen wie zu viel Arbeit, zu wenig Geld und immerzu ein Haufen Bürokratie. Dass die Bürokratie als unproduktive Arbeit in die Gesamtkosten mit einkalkuliert wurde und somit auch einfach nur Arbeit wie die Überprüfung der Heizung vor Ort ist, wird nicht erwähnt. Dass es für den Betrieb selber doch eher positiv ist, dass die Auftragsbücher voll sind, kommt auch selten rüber. Besser geht es natürlich immer, und nicht nur die Berufsverbände arbeiten durchweg daran, dass es besser wird. Auch in den Betrieben selber finden ganz unbewusst immerzu Weiterentwicklungen statt.
Vielleicht müssen wir den Bürgern auch einfach nur mehr erzählen, was für einen genialen Job wir haben, statt immerzu die negativen Seiten aufzuzeigen und dabei auch potenziell noch zu übertreiben. Damit eben diese Menschen nicht die Augen verdrehen, wenn das Kind oder Enkelkind eine Handwerksausbildung starten will. Was genau ist denn das Ziel von einem Wortkampf, wem es jetzt schlechter geht? Mir ist auch jetzt noch nicht bekannt, warum wir das eigentlich machen bzw. uns angewöhnt haben.
Mit kollegialen Grüßen
Mathias Kazek