Das Schornsteinfegerhandwerk befindet sich im Wandel
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Schornsteinfegerhandwerk befindet sich im Wandel. Jeder von uns macht sich in irgendeiner Weise Gedanken über die Zukunft, darüber, was uns erwarten wird. Vielleicht auch darüber, welche Folgen der Klimawandel auf unser Handwerk haben wird. Klar ist, die Bundesregierung wird in den nächsten Jahren mit Hochdruck daran arbeiten, den Gebäudebestand möglichst schnell klimaneutral zu gestalten.
Für die vielen Öl- und Gasfeuerstätten bedeutet dies das Aus. Die Tätigkeiten, die wir Schornsteinfeger an diesen Feuerstätten derzeit durchführen, werden wegfallen. Das ist erst einmal keine neue Information. Seit vielen Jahren wissen wir, dass unserem Handwerk ein Wandel bevorsteht. Es sollte uns jedoch zu denken geben, dass der Wandel in unserem Beruf noch nicht begonnen hat. Nur 8 % der Umsätze in den Betrieben werden außerhalb der hoheitlichen Tätigkeiten und Pflichtaufgaben der Bundeskehr- und Überprüfungsordnung generiert – und das nach fast 15 Jahren Schornsteinfeger-Handwerksgesetz, nach fast 15 Jahren ohne Monopol. Da sollten wir uns ernsthaft die Frage stellen, weshalb in unserem Handwerk keine Entwicklung stattfindet. Und wir sollten dringend in die Diskussion gehen, mit welchen Mechanismen wir eine Weiterentwicklung herbeiführen können. Wir sollten uns auch die Frage stellen, wie viel Zeit wir noch haben, um uns zu verändern und den Rahmenbedingungen eines klimaneutralen Gebäudebestandes anzupassen. Aus meiner Sicht haben wir bereits zu viel Zeit schon vergeudet und es ist allerhöchste Zeit, zu handeln.
Als ZDS haben wir bereits im letzten Jahr darauf hingewiesen, dass wir kein Problem damit haben, neue Tätigkeitsfelder für uns zu entdecken. Es gibt unzählige Ideen, Projekte und Themenfelder, in denen sich der Schornsteinfeger zurechtfinden kann. In vielen Arbeitsgruppen der Verbände in unserem Handwerk haben sich Kolleginnen und Kollegen darüber den Kopf zerbrochen, welche Tätigkeiten die Richtigen für das Schornsteinfegerhandwerk sind, um auch nach dem Jahr 2045 über die Runden zu kommen. In unzähligen Arbeitsstunden wurden dazu Schulungen erarbeitet, wurde an Sitzungen und Versammlungen darüber berichtet, wurden Seminare angeboten und abgehalten. Doch am Ende fehlt es an der Umsetzung in den Betrieben. Es fehlt der Auftrag des Kunden für all die innovativen Tätigkeiten. Und es fehlt an Fachkräften. Im Frühjahr haben wir darauf gedrängt, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz den Fachkräftemangel auf die Tagesordnung des Bund-Länder-Ausschusses für unser Handwerk setzt. Und trotz des anfänglichen Widerstands der Arbeitgebervertreter – mit der Begründung, es gebe keinen Fachkräftemangel – wurde das Thema im Ausschuss behandelt und diskutiert. Klar ist, dass wir deutlich zu wenig ausbilden bzw. weniger ausbilden, als in den nächsten Jahren Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand gehen werden. Heute, fast ein Jahr später, wagt fast niemand mehr, den anhaltenden Mangel an Fachkräften zu leugnen. Dieser ist insbesondere deshalb dramatisch, weil für die frei werdenden Bezirke in den kommenden 10 Jahren nicht annähernd genügend Schornsteinfegermeister zur Verfügung stehen, um diese besetzen zu können. Die Frage, wie wir das Problem ganzheitlich lösen wollen, bleibt leider unbeantwortet – zumindest von den Behörden und unserem Sozialpartner. Als ZDS haben wir eine Idee, wie wir unser Handwerk so strukturieren können, dass es ohne große Änderungen zu einer nachhaltigen Lösung kommen kann. Helfen sollen uns dabei größere Betriebsstrukturen und die Entlastung der Betriebsinhaber. So kommen wir sehr schnell in den Modus, in dem sich unser Handwerk auch entwickeln kann.
Damit wir für die Transformation genügend Fachkräfte werben können, müssen wir in unseren Tarifverträgen zukunftsweisende Vereinbarungen treffen. Für die Auszubildenden haben wir in dem Tarifvertrag über die Förderung der beruflichen Ausbildung im Schornsteinfegerhandwerk (AKS-Tarifvertrag) höhere Ausbildungsvergütungen vereinbart. Diese sollen sich ab kommendem Jahr um 120,00 Euro pro Lehrjahr erhöhen. Analog dazu werden sich auch die Fördersätze für Ausbildungsbetriebe erhöhen. Diese steigen um 400 Euro für das 1. Lehrjahr, 500 Euro für das 2. Lehrjahr, 550 Euro für das 3. Lehrjahr und um 75 Euro für das 4. Lehrjahr. Das ist das richtige Signal, um weiterhin genügend Nachwuchs für unseren Beruf zu finden. Auch in Zukunft sollten wir daran festhalten, weiter in die Attraktivität unseres Berufes zu investieren. Auch wenn dies mit höheren Beiträgen an die Ausbildungskostenausgleichskasse (AKS) im Schornsteinfegerhandwerk verbunden sein wird, lohnt sich das allemal für unseren schönen Beruf. Auch der Bundestarifvertrag für das Schornsteinfegerhandwerk (BTV) ist ein wesentliches Regelwerk, mit dem sich die Attraktivität unseres Berufes gestalten lässt. Für den BTV 2023/2024 haben wir in den wirtschaftlich sehr schwierigen und unvorhersehbaren Zeiten, geprägt von hoher Inflation, sehr hohen Energiekosten und einem Rückgang der weltweiten Wirtschaftsleistung, unsere Kernforderung, den Inflationsausgleich, umsetzen können. Zudem konnten wir eine genauere Definition der Arbeitszeiterfassung, welche durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vorgegeben wurde, und die intensive Beratung zu einer arbeitgeberfinanzierten Berufsunfähigkeitsversicherung mit einer Zusatzkrankenversicherung auf den Weg bringen. Selbstkritisch muss unser Handwerk bei diesem Abschluss allerdings erkennen, dass wir „nur“ den Status quo erhalten haben. Den großen Wurf, um unser Handwerk fit für die Zukunft zu machen und die Fachkräfte zu finden und vor allem zu halten, die wir für den bevorstehenden Transformationsprozess benötigen, haben wir nicht erreicht. Ich hoffe, dass vor allem bei den Arbeitgebervertretern diesbezüglich spätestens zur nächsten Tarifrunde ein deutliches Umdenken stattgefunden haben wird.