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Leitartikel

Das Schornsteinfegerhandwerk zwischen Vorschriften und Kundenwunsch

Daniel Schneidhuber
Daniel Schneidhuber /

Liebe Mitglieder, die Politik hat in den letzten Monaten viele Entscheidungen getroffen, die unsere Arbeit direkt beeinflussen. Die Umstände eines globalen Energiekriegs, eine seit dem Ende des Weltkriegs höchste Inflationsrate sowie die Energiewende zwingen die regierenden Parteien zu schnellen Entscheidungen. Auch die vielen Projekte, die sich nach 16 Jahren CDU-Regierung angestaut haben und deren Verwirklichung von der Regierung am Anfang ihrer Legislaturperiode angestoßen wurde, müssen umgesetzt werden.

Diese Entscheidungen haben Einfluss auf unsere tägliche Arbeit in unseren zu besuchenden Gebäuden. Wir als Schornsteinfegerhandwerk, das immer schon durch die vom Staat übertragenen Aufgaben kein klassisches Handwerk war, müssen die neuen Verordnungen bei den Eigentümerinnen und Eigentümern umsetzen. Uns obliegt oft ganz oder in Teilen die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Das Vertrauen, das uns bei unseren Kunden entgegengebracht wird, basiert aber nicht auf der sturen Umsetzung, sondern auf flexiblen Lösungen. Das Schornsteinfegerhandwerk ist die Schnittstelle aller Verordnungen. Unsere Ziele des Umwelt- und Klimaschutzes, der Betriebs- und Brandsicherheit, der Energieeffizienz und der eigenen Sicherheit werden miteinander verbunden. Das meistert unser Handwerk seit Jahren sehr gut.

Doch momentan werden die Kunden kritischer in der Umsetzung der Vorschriften. Der finanzielle Rahmen der Kunden ist durch die Inflation geschrumpft, das Verständnis für die Sinnhaftigkeit mancher Gesetze ist wegen der allgemeinen politischen Skepsis in der Bevölkerung weniger verbreitet. Das Handwerk hat zurzeit beim Kunden Probleme mit dem Verständnis für die Umsetzung.

Meiner Meinung nach ist das aber nicht das Problem, sondern sogar die Lösung. Die Politik verlässt sich auf unser Handwerk, diesen Spagat zwischen Theorie und Praxis zu schaffen. Das Schornsteinfegerhandwerk hat diesen Spagat auch immer gut gemeistert. Ein Blick in die Vergangenheit beweist es. Als vor 40 Jahren die Messpflicht von Öl- und Gasfeuerstätten in Deutschland eingeführt wurde, war die Skepsis bezüglich der Durchsetzbarkeit im Handwerk groß. Zusätzlich verringerte sich die Kehrhäufigkeit von messpflichtigen Anlagen. Das bedeutete auch eine Umstrukturierung der Planung eines Jahres in den Betrieben.

Auch heute ist so ein Strukturwandel erforderlich. Es reicht nicht aus, nur die Reinigung eines Schornsteins in einem Gebäude durchzuführen. Die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Abgasanlagen müssen heute erweitert werden. Damit ist aber keine weitere handwerkliche Tätigkeit, sondern eine durch Berechnung fundierte Beratung gemeint. Die Kunden fragen nach Querschnittsberechnungen bei neuen Feuerstätten sowie Berechnungen der Lage der Mündung nach der VDI 3781 Blatt 4 und die Nachfrage nach Energieberatungen und Fördermittelanträgen steht weiter hoch im Kurs. Der Strukturwandel könnte im Ergebnis in den Betrieben derart gestaltet werden, dass in einem klassischen Betrieb frühmorgens gekehrt wird, bevor die Kunden auf die Arbeit fahren, vormittags die Berechnungen im Büro durchgeführt werden und nachmittags Termine wahrgenommen werden, um den Kunden die Ergebnisse der vormittags durchgeführten Berechnungen vor Ort zu erklären.

In Betrieben, in denen eine Arbeitszeit von 07:00 Uhr bis 16:00 Uhr als gesetzt gilt, kann das aber nicht praktiziert werden – Gleiches gilt für die Meinung, dass Mitarbeiter nicht im Büro sitzen dürfen. Im Gegenteil, viele Arbeitgeber sind der Ansicht, die Freigabe der Feuerstättenschau an die Mitarbeiter wäre die einzige Lösung, die Bürokratie und die Bürotätigkeiten zu meistern. Was spricht dagegen, die bei der Abnahme fällige Querschnittsberechnung von dem Mitarbeiter machen zu lassen? Vielleicht sogar von zu Hause, damit auch ein Handwerker in den Genuss von Homeoffice kommt? Das würde auch dem Ziel der Work-Life-Balance näherkommen.

Alte Strukturen aufzubrechen, ist immer schwierig. Aber bestehende Strukturen nicht zu ändern? Wenn das die vorherige Schornsteinfegergeneration auch so gemacht hätte, wären wir heute nicht alle in diesem Handwerk tätig.

Wir als Schornsteinfeger – Vertraute, Berater, Handwerker – könnten so die Herausforderungen in den nächsten Jahren besser bewältigen, ohne dass wir unsere Kernkompetenzen verraten.

 

 

 

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