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Leitartikel

Fachkräfte binden, finden und eine sichere Zukunft gestalten

Michael Tilch
Michael Tilch /

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wünscht man sich als Angestellter mehr als einen sicheren Arbeitsplatz? Ist das denn auch wirklich so?

Mehr Geld, mehr Urlaub, mehr Flexibilität oder mehr Entwicklungsmöglichkeiten sind ohne Zweifel die wichtigsten Faktoren, um einen Angestellten glücklich zu machen und an sich und den Betrieb zu binden. Natürlich ist ohne Frage ein sicherer Arbeitsplatz Gold wert und trägt auch dazu bei, sicher in die kommenden Jahre zu blicken. Doch ist das nicht das Einzige, was zählt. In der heutigen Zeit, in der unser Handwerk genau wie alle anderen auch vom Fachkräftemangel betroffen ist, muss mehr geschehen, um Fachkräfte zu binden und im besten Fall auch noch neue zu finden. Diese Erkenntnis muss in den Köpfen aller sein, welche über die Zukunft unseres Handwerks entscheiden.

In jeder Tarifrunde fordert der ZDS mehr Lohn, was natürlich für eine Gewerkschaft typisch ist, und zugleich wird versucht, noch andere Stellschrauben zu drehen, um unseren BTV und somit unser Handwerk noch interessanter zu machen. Bei vielem ist man sich mit dem Zentralinnungsverband (ZIV) fast einig. Doch beim Thema Lohn bekommen wir immer zu hören, dies sein doch nicht das Allheilmittel für unser Handwerk. Natürlich ist es das nicht, doch eine Lohnerhöhung muss sein nach Jahren der Zurückhaltung. Es wurde immer ein Grund vorgeschoben, weshalb man nur so wenig Lohn geben könne. Erst war es die Umstellung auf den freien Mark im Jahr 2013 durch die damalige Änderung des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes. Zu dieser Zeit wurde auf eine Lohnerhöhung seitens der Arbeitnehmer verzichtet, um dem Handwerk den Start in den freien Markt zu erleichtern. Der Start glückte und das Schornsteinfegerhandwerk boomte. Wir durften die Preise für freie Tätigkeiten selbst bestimmen und es lief hervorragend. Trotzdem wurde keine ordentliche Lohnerhöhung gezahlt. Dann wurde von 2018 bis 2020 der Angleich der Löhne von Ost und West durchgeführt. Dies war eine – wenn nicht die größte – soziale Gerechtigkeit, welche es in unserem Handwerk je gab. Der Angleich wurde auf dem Rücken der Arbeitnehmer des Westens ausgetragen, denn diese verzichteten auf eine ordentliche Lohnerhöhung, um den Angleich etwas zu erleichtern. Doch leider nutzt man diesen Angleich nun, um eine Lohnerhöhung zu blockieren. Zumindest geschah dies in der vergangenen Tarifrunde durch die östlichen Bundesländer. Das ist sehr schade, denn eigentlich hat der ZDS nur das umgesetzt, was der ZIV jahrelang „unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage“ für das Handwerk umsetzen wollte oder hätte umsetzen müssen. Gleichberechtigung existiert nämlich nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Ost und West.

Wir sind nach wie vor stolz auf das, was wir geschafft haben!

Natürlich hat der Angleich die Arbeitgeber im Osten Geld gekostet, doch ist dies kein Grund, das Handwerk dauerhaft zu blockieren. Denn hinter vorgehaltener Hand hört man von Mitgliedern des LIV im Westen, dass eine ordentliche Lohnerhöhung Pflicht ist und auch machbar ist. Es ist an der Zeit, geeint über Lohn und weitere zukunftsweisende Änderungen im Bundestarifvertrag des Schornsteinfegerhandwerks zu sprechen. Das Handwerk braucht einen ordentlichen Schubs nach vorne, denn es ist schon lange nicht mehr so, dass wir so gut verdienen, wie alle erzählen. Die Zukunft gehört denen, die sich qualifizieren und sich dadurch einen guten Arbeitsplatz sichern und dem Betrieb, dem sie angehören, mehr Sicherheit am Markt bieten. Diese Qualifikation muss aber auch gut bezahlt werden. Denn für ca. 21 Euro arbeitet sonst nirgendwo ein hoch qualifizierter Mitarbeiter.

Warum sollten unsere Kolleginnen und Kollegen das also tun? Sie bekommen deutschlandweit 21 Eurocent und in Baden-Württemberg 28 Eurocent die Stunde mehr, wenn sie neben Messen, Fegen, Selbstorganisation, Immer-erreichbar-Sein und Kundenberatung auch noch Energieberatung oder Dienstleistungen im Brandschutzsektor anbieten. Durch diese Qualifikationen, welche durch teure Lehrgänge erlernt wurden, verdient man lediglich ca. 40 Euro brutto im Monat mehr. Zeitgemäß ist das bei Weitem nicht mehr.

Es ist an der Zeit, umzudenken und unser Handwerk gemeinsam wieder an die Spitze zu bringen. Dahin, wo wir uns immer gerne sehen. Dadurch macht man Mitarbeiter glücklich, steigert den Ruf unseres schönen Handwerks und gewinnt auch weitere Fachkräfte.

Qualifikation bedeutet Sicherheit und Zukunft, doch muss diese Qualifikation auch durch den Betrieb genutzt und entlohnt werden. Sonst blockiert man die Entwicklung des Mitarbeiters, des Betriebes und nicht zuletzt die Entwicklung unseres Handwerks.

Euer

Michael Tilch

Regionalsekretär West

Innovationszentrum Schornsteinfegerhandwerk

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