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Leitartikel

Gute Umfragen sind die Basis für Verbandsarbeit

Mathias Kazek
Mathias Kazek /

Umfragen begleiteten gerade die letzte Tarifverhandlung immer wieder. Angefangen mit der Mitgliederumfrage, auf deren Basis wir unser Forderungspaket aufgebaut haben, über eine Umfrage zur Corona-Sonderzahlung während den laufen Verhandlungen bis hin zu aktuellen Umfragen, zum Beispiel der Innung in Thüringen zu dem Tarifabschluss.

Warum wir als Gewerkschaft oder auch die Innungen Umfragen unter den Mitgliedern machen, ist sicher jedem bewusst. Als Meinungsvertreter sollte man die Meinung der Menschen kennen, die man vertritt. Auch bei Umfragen, die das Ziel haben, die Antworten in einer Statistik darzustellen, geht es trotzdem darum, das Meinungsbild derjenigen abzubilden, deren Auffassung man vertreten soll.


Umfragen unter Mitgliedern sind wichtig, nicht umsonst haben wir erst Ende letzten Jahres ein neues digitales Tool generiert, über das möglichst smart, einfach und trotzdem genau an unseren Umfragen über Link oder direkt in der App teilgenommen werden kann. Endscheidend sind aber nicht nur der Umfang und die Art der Formulierung, auch der Zeitpunkt ist wichtig.


Angefangen mit der Formulierung „Willst du eine Lohnerhöhung von 6 % haben? (Ja/Nein)“. Wer sich hier gerade bei „Nein“ erwischt, sollte sich wirklich Gedanken machen. Eine Formulierung, die einigen aus der Tarifumfrage bekannt sein wird: „Bist du bereit, für 6 % Lohnerhöhung deine Arbeit niederzulegen und zu streiken, wenn es darauf ankommt? (Ja/Nein)“. Die Antwort auf diese Formulierung sollte bei den meisten eine andere Antwort ergeben als bei der ersten.


Um realistische Umfrageergebnisse zu erhalten, kann man nicht nur stumpf auf „Ja“ oder „Nein“ abfragen. Man muss Konsequenzen erklären und Auswahlmöglichkeiten geben. Die meisten der Personen, die an der Umfrage teilnehmen, haben ganz andere Aufgaben als wir Meinungsvertreter. Es mag sein, dass dem Umfrageersteller alle möglichen Alternativen und Konsequenzen für die Antwort bewusst sind. Doch muss man diese dem Teilnehmer auch aufzeigen, bevor man ein Voting abgeben lässt.
Eine Frage aus der Umfrage der Schornsteinfegerinnung Thüringen lautet: „Ich halte die jetzt vereinbarten Regelungen insbesondere die Lohnerhöhung für angemessen – (ja/nein)“. Wie wäre es mit folgenden Antwortmöglichkeiten: „Ich würde auch mehr Lohn zahlen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.“ – „Die Erhöhung ist okay, wenn mein Mitarbeiter damit zufrieden ist.“ – „Etwas weniger wäre gut, auch wenn mein Mitarbeiter dadurch etwas unmotivierter wäre.“ – „Der Abschluss ist völlig überzogen, mir ist egal, ob ich einen Mitarbeiter finde und Schulabgänger unser Handwerk erlernen möchten.“


Ich denke, man merkt, worauf ich hinauswill. Wie erwähnt, ist der Umfang einer Umfrage sehr wichtig, um alle Möglichkeiten und Konsequenzen aufzuzeigen, bevor leichtsinnig ein Kreuz gesetzt wird, welches im Nachgang in der Außendarstellung verwendet wird. Zudem sind Ja/Nein-Antworten doch eher schwarz-weiß. Was ist mit den Unschlüssigen, die zwischen Ja und Nein antworten würden? Da geht das Kreuz sicher unterbewusst oder bewusst zu Nein, was das Ergebnis noch weiter verfälscht.
Zudem ist es traurig erwähnen zu müssen, dass der Zeitpunkt einer Umfrage entscheidend ist. Die Aussage mancher Innungsfunktionäre, es würde keine Lohnerhöhung von über 1 % geben, fiel schon vor den Tarifverhandlungen. Die Tatsache, dass die Umfrage zu dieser Aussage erst im Nachgang der Tarifverhandlungen stattfindet, sagt schon alles. Auf welches Meinungsbild hat sich die Aussage vorher denn gestützt? Vermutlich auf die eigene. Jetzt wird zum Abschluss eine Umfrage im Nachgang unter den Innungsmitgliedern in manchen Bundesländern abgehalten, die uns so sicher wie das Amen in der Kirche bei der nächsten Tarifverhandlung vor die Nase gehalten wird. In ungefähr zwei Jahren. Zwei Jahre, in denen sich, wie wir alle wissen, einiges in unserem Handwerk ändern wird, die wirtschaftliche Gesamtsituation hoffentlich eine ganz andere sein wird als aktuell und einige der Befragten den vermutlich wohlverdienten Ruhestand angetreten haben und deren Nachfolger vielleicht ganz andere Meinungen vertreten werden.


Zusammengefasst kann man also festhalten, dass eine Umfrage gemacht wird, die vielleicht nicht das Ziel, aber einzig das Ergebnis hat, Unzufriedenheit zu stiften, und danach keinerlei Relevanz mehr haben wird, da die Antworten so schlecht abgefragt wurden, dass das Ergebnis nicht glaubwürdig ist. Zudem kommt bei mir die Frage auf, ob eine Umfrage im Nachgang zu Entscheidungen auf ein schlechtes Gewissen zurückzuführen ist, da der Verantwortliche nicht weiß, ob auch ins Schwarze getroffen wurde.

Mit kollegialen Grüßen
Mathias Kazek

 

Innovationszentrum Schornsteinfegerhandwerk

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