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Leitartikel

Herausforderungen 2022

Daniel Fürst
Daniel Fürst /

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Jahr 2022 hält in vielerlei Hinsicht spannende Herausforderungen für uns bereit. Und obwohl viele von uns die anstehenden Problemstellungen, die unser Handwerk in naher Zukunft lösen muss, erkannt haben, kommt es uns oftmals vor, als müssten wir bei jedem Gespräch von vorne beginnen.

Die Frage, ob wir einen Fachkräftemangel in unserem Handwerk haben, ist exemplarisch für viele Diskussionen, die wir wieder und wieder in unserem Handwerk führen müssen. Es darf inzwischen keine Frage mehr sein, ob wir einen Mangel an Fachkräften haben, sondern die Frage muss lauten: Wie kommen wir dagegen an? In vielen Bereichen unseres Berufes stellen wir seit Monaten fest, dass uns die niedrigen Ausbildungszahlen der letzten Jahre längst eingeholt haben und täglich neue Probleme bescheren. Es gibt Betriebe, die auf der Suche nach einem Mitarbeiter fast am Verzweifeln sind und trotz übertariflicher Bezahlung niemanden finden. Wir haben Behörden, die massive Probleme haben, alle ausgeschriebenen Bezirke besetzen zu können. Die Prognose auf Besserung bleibt leider aus. Stattdessen verschärfen sich die Prognosen weiterhin. Denn wir wissen bereits, dass es keineswegs ausreichend viele Bewerberinnen und Bewerber für alle freiwerdenden Bezirke geben wird. Erfreulicherweise schafft es unser Handwerk in kleinen Schritten, sich in anderen Tätigkeitsbereichen nach und nach zu etablieren, so zum Beispiel im Bereich der Energieberatung, wo der Markt derzeit richtig aufblüht. Eines der Probleme weiterer Expansion unseres Handwerks im Bereich der Energieberatung jedoch ist der Mangel an Fachkräften. Und das, obwohl wir alle wissen, dass wir unseren Beruf so dringend in eine neue Richtung führen müssen. Auch die Verbände wollen unterstützen und haben erkannt, dass es ohne Kampagnen, die dem Imagewandel und der Ansprache in Richtung Jugend dienen, nicht funktionieren wird. Mit guten Imagekampagnen wurde versucht, sowohl die Berufsangehörigen zu ermutigen, Auszubildende zu suchen, als auch junge Leute über Social Media und andere Kanäle anzusprechen und auf unseren Beruf aufmerksam zu machen. Anhand harter Fakten darüber, wie viele Kolleginnen und Kollegen in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen werden, wissen wir, wie viele junge Leute auf der anderen Seite in unseren Beruf hineinwachsen müssen, um unser jetziges System aufrechterhalten zu können. Doch selbst diese Zahlen werden in Einzelgesprächen oft genug ignoriert. Wir wissen, dass wir einen riesigen Bedarf an Fachkräften haben, und trotzdem gibt es einige Innungsvertreter, leider oft sogar auf Landes- und Bundesebene, die im Gespräch den Fachkräftemangel zu relativieren versuchen.

Die Situation ist mehr als paradox und zudem sehr anstrengend. Denn solange wir das Grundproblem unseres Berufes nicht erkennen und akzeptieren, werden wir es nie schaffen, auch nur einen Schritt weiterzukommen. Im Großen und Ganzen liegt die Vermutung nahe, dass unser Handwerk sein Kernproblem erkannt hat: Wir haben einen Mangel an Fachkräften. Daher haben wir eine Ausbildungskostenausgleichskasse gegründet, Imagekampagnen im James-Bond- und im Hip-Hop-Style ins Leben gerufen und deshalb predigen wir von den Rednerpulten aus, dass unser Beruf noch mehr ausbilden muss, als es jetzt schon der Fall ist. Im Gespräch untereinander oder mit den Behörden jedoch gibt es leider zu viele, die den Mangel an Fachkräften in unserem Handwerk nicht formulieren. Von den gleichen Personen, die auf der Innungsversammlung noch bitten, dass die Mitgliedsbetriebe mehr ausbilden müssen, wird an anderer Stelle der Mangel an Fachkräften verharmlost. Zwar gibt es irgendwo einen Fachkräftemangel, aber im eigenen Innungsbereich ist die Welt in Ordnung, so die Botschaft von einigen Verantwortungsträgern unseres Berufes. Wenn es darum geht, Probleme zu erkennen, dann bitte nur abstrakt und weit weg von der eigenen Haustüre. Statt darüber zu sprechen, wie sich unser Beruf verändern könnte, was wir anstellen müssten, um eine positive Veränderung herbeizuführen, oder in welchen Bereichen wir unsere Tätigkeitsfelder in den kommenden Jahrzehnten ausbauen könnten, fangen wir wieder einmal an, die Frage zu diskutieren: Haben wir eigentlich einen Fachkräftemangel?

Als ZDS sind wir es leid, wieder und wieder über die gleiche Frage zu diskutieren, statt den Blick nach vorne zu richten, wieder und wieder darauf herumreiten zu müssen, dass wir einen Mangel an Fachkräften haben und dies keine theoretische Diskussion ist, sondern viele von uns die Auswirkung jeden Tag zu spüren bekommen. Wir sind es leid, in Leitartikeln wie diesem hier immer und immer wieder auf die gleichen Probleme aufmerksam zu machen. Und eigentlich müssten unsere Leserinnen und Leser schon mürbe sein, immer über das gleiche Thema zu lesen. Und trotzdem scheint es bei vielen noch nicht angekommen zu sein, dass wir uns wieder und wieder über die gleichen Themen unterhalten müssen.

Wir finden: Es muss endlich Schluss sein mit Fragestellungen möglicher Probleme. Stattdessen müssen wir uns fragen, woher die Probleme, die wir haben, denn kommen. Weshalb haben wir zu wenig Fachkräfte in unserem Handwerk? Ist es, weil die anderen Branchen uns die potenziellen Auszubildenden mit viel zu hohen Vergütungen wegschnappen? Oder liegt es daran, dass es insgesamt und branchenübergreifend viel zu wenig Auszubildende für die freien Ausbildungsplätze gibt? Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir als Handwerksberuf einen Imageverlust haben. Sehen sich die jungen Leute lieber in Anzug und Krawatte, lieber als Influencer oder schaffen wir es, den jungen Leuten zu zeigen, dass ein Arbeitsleben im Kehranzug ebenfalls attraktiv sein kann. Wir müssen uns die Frage stellen, weshalb es immer mehr Beschäftigte in unserem Handwerk gibt, die nicht in die Selbstständigkeit gehen wollen. Wir haben nämlich nicht nur ein Problem, Fachkräfte für unseren Beruf zu finden. Wir haben auch ein Problem damit, die eigenen Leute zu ermutigen, einen Bezirk zu übernehmen bzw. sich selbstständig zu machen. Da müssen wir uns doch ehrlich die Frage stellen, woran das wohl liegen mag. Statt darüber zu sprechen, welche Tätigkeitsfelder unser Beruf zukünftig erschließen kann, streiten wir, ob die Tätigkeit des Brandschutzes eine Tätigkeit des Schornsteinfegerhandwerks ist und ob die Ausführung von Energieberatungen zu den Berufsjahren anerkannt wird oder nicht.

Genau genommen, ist das größte Problem unseres Handwerks nicht der Mangel an Fachkräften. Es ist vielmehr die Ignoranz, einhergehend mit mangelndem lösungsorientiertem Verhalten. Im Grunde sollten wir schleunigst alle Hebel in Bewegung setzen und in die Gänge kommen, statt uns mit theoretischen Problemstellungen zu beschäftigten, die schon längst keine Theorie mehr sind.

Als ZDS werden wir uns deshalb in diesem Jahr dafür einsetzen, dass wir konstruktiv über Lösungen nachdenken, unser Handwerk in die Zukunft zu führen. Wir werden uns bei den anstehenden Tarifverhandlungen dafür einsetzen, unseren Bundestarifvertrag noch attraktiver zu gestalten, damit unser Handwerk mehr Anreiz für junge Leute bietet. Wir werden im Dialog mit unserem Sozialpartner und den Behörden versuchen, darüber zu diskutieren, wie wir mit dem demografischen Wandel in unserem Beruf umgehen werden, und zwar so, dass es zu keiner Novellierung mit systematischen Änderungen unseres Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes kommen wird. Denn wir wollen am System der Bezirke weiterhin festhalten. Und wir werden unsere Kommunikation über alle Bereiche unseres Berufes hinweg ausbauen, um weiterhin offen, transparent und zeitnah über alles Wissenswerte und Aktuelle zu berichten. Wir wollen, dass sich endlich was bewegt. Denn wenn wir uns nicht in eine Richtung bewegen, werden dies andere für uns tun. Das gilt es zu verhindern.

Innovationszentrum Schornsteinfegerhandwerk

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