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Leitartikel

Kompromiss in der Gemeinschaft der Föderalisten

David Villmann
David Villmann /

Der Begriff Föderalismus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Bund oder Vertrag. Damit wird im Staatswesen ein Zusammenschluss von einzelnen Staaten zu einem großen Bundesstaat beschrieben.

Als Beispiel dient hier unser Land. Die 16 Bundesländer haben sich zur Bundesrepublik Deutschland zusammengeschlossen, um einheitliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien für alle Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Trotzdem bleibt ein Teil der Aufgaben in den einzelnen Bundesländern. Genau deshalb haben wir 16 verschiedene Landesbauordnungen und in jedem Bundesland andere Regelungen und Vorschriften zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Durch Wegen seiner Struktur ist der Föderalismus also deutlich komplizierter und zeitaufwendiger. Auf der anderen Seite herrscht eine bessere Machtverteilung, er ist bürgernaher und schafft einen Wettbewerb unter den einzelnen Staaten nach dem Motto: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“

In Vereinen, Verbänden oder Organisationen herrscht oftmals ein ähnliches Prinzip. Zum Beispiel schließen sich im Schornsteinfegerhandwerk einzelne Innungen zu Landesinnungen zusammen, welche sich wiederum zu einem Bundesverband vereinen. Dabei entsteht aus einem Zusammenschluss immer eine Gemeinschaft. Aus 16 Bundesländern wird die Gemeinschaft Deutschland und aus allen Arbeitnehmern wird die Gemeinschaft ZDS.

Auf diese Gemeinschaft sind wir im Schornsteinfegerhandwerk besonders stolz. Deshalb sprechen wir auch gerne vom unserem Berufsmotto: „Einer für alle, alle für einen.“ Es bildet ein festes Fundament in unserem Berufsbild. Hat ein Schornsteinfegerbetrieb ein ernsthaftes Problem, beispielsweise, dass der Mitarbeiter durch einen Unfall mehrere Wochen ausfällt, helfen die umstehenden Betriebsinhaber gerne aus. Jeder trägt ein kleines Päckchen, damit der Einzelne nicht vor einer unlösbaren Aufgabe steht. Auch dann, wenn es gerade jetzt überhaupt nicht in den Kram passt. Zum Wohl des Einzelnen wird das „Ich“ hintangestellt.

Mittlerweile muss ich aber feststellen, dass die Gemeinschaft immer weiter auf das Abstellgleis rückt. Dabei möchte ich nicht auf die politische Lage Deutschlands eingehen, sondern im Speziellen auf unser Schornsteinfegerhandwerk. Zum Beispiel schafft unser Sozialpartner ein neues bundesweites Zertifizierungssystem, um im Schornsteinfegerhandwerk ein einheitliches Auftreten und einen Qualitätsstandard festzuhalten. Der Schornsteinfeger-Innung Berlin missfällt dieses System und prompt führen sie ihr eigenes System ein. Der ZDS schließt zusammen mit der Tarifkommission des ZIV einen neuen Bundestarifvertrag. Keine vier Wochen später versendet die Landesinnung Thüringen einen Brief an all ihre Mitglieder mit der Frage: „Die Schornsteinfegerinnung soll abklären, ob und welche Möglichkeiten bestehen unabhängig vom Bundesverband Tarifverhandlungen führen zu können.“ Da kann ich nur den Kopf schütteln und fragen: Was soll das? Erst gebe ich meine föderalistische Entscheidungsgewalt bewusst ab, um eine Lösung für alle Schornsteinfeger/innen zu finden. Und wenn mich der Kompromiss der vielen verschiedenen Interessen nicht vollständig zufriedenstellt, koche ich mein eigenes Süppchen. Diese Beispiele kommen nicht von einzelnen schwarzen Schafen, sondern von Vertretern der Gemeinschaft Schornsteinfegerhandwerk. Dies bereitet mir starkes Unbehagen. Nur gemeinsam können wir die zukünftigen Ziele und Aufgaben des Schornsteinfegerhandwerks definieren und umsetzen. Dabei vertreten unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen unterschiedliche Meinungen. Gerade deshalb entsteht oftmals ein Kompromiss, eine Übereinkunft verschiedener Interessen. Und ein Kompromiss hat für jeden Einzelnen Vor- und Nachteile. Bei Verhandlungen spricht man deshalb davon, dass das Ergebnis als gut gilt, wenn beide Seiten mit der Faust in der Hosentasche den Raum verlassen. Lasse ich mich auf die Gemeinschaft ein, treten manchmal Nachteile für mich selbst auf. Ich muss zum Beispiel dem Schornsteinfeger im Nachbarbezirk aushelfen, auch wenn es mir gerade nicht passt. Jedoch überwiegen die Vorteile deutlich, denn ich kann mich darauf verlassen, dass mir die Hilfe ebenfalls gewiss ist, sollte ich mal in Schwierigkeiten geraten. Entscheide ich mich aber heute für die Gemeinschaft und morgen dagegen, frei nach dem Motto „Ich male  mir die Welt, wie sie mir gefällt“, schadet dies nur der Gemeinschaft und damit allen Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfegern. Aus „Einer für alle, alle für einen“ wird ein egoistisches „Wenn jeder für sich selbst sorgt, ist an jeden gedacht“ und dies gilt es mit aller Macht zu verhindern!

 

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